Pressekonferenz nach dem Treffen des Weimarer Dreiecks in Mettlach (5. Dezember 2006)

BK’IN DR. MERKEL: Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass wir heute hier im Saarland zu unserem Treffen im Rahmen des Weimarer Dreiecks zusammengekommen sind. Wir feiern sozusagen den 15. Jahrestag dieses Weimarer Dreiecks, und wir haben uns bei unserem Treffen, das nur den ersten Teil darstellt und das beim Mittagessen fortgesetzt wird, eben noch einmal daran erinnert, dass es Zeiten in Europa gab, in denen es alles andere als selbstverständlich war, dass Polen, Frankreich und Deutschland nicht nur friedlich miteinander zusammenleben, sondern auch in Freiheit leben. Ich habe auch noch einmal darauf hingewiesen, dass gerade die Erinnerung an die Solidarnoœæ und an das, was Solidarnoœæ getan hat, damit wir heute in einem freien Europa zusammen sein können, eine sehr, sehr große Bedeutung hatten.

Das Weimarer Dreieck ist gegründet worden, um nicht nur die Politiker zusammenzuführen, sondern um auch unsere Gesellschaften sich näher kommen zu lassen. Deshalb ist es ein Erfolg des Weimarer Dreieck, dass im Jahr 2005 z.B. 78 ganz verschiedene Begegnungen von Jugendlichen aus Frankreich, Deutschland und Polen ? das heißt, trilaterale Begegnungen ? stattgefunden haben. Das wollen wir weiterhin machen. Wir haben eine ganz enge kommunale und regionale Kooperation entwickelt. Es gibt von deutscher Seite 600 Städtepartnerschaften mit Polen und 2.200 mit Frankreich. Wir haben uns heute auch darauf geeinigt, dass wir diese Kooperation vertiefen wollen.

Wir, alle drei, sehen eine zunehmende Bedeutung der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Das spiegelt sich auch im gemeinsamen Engagement in diesem Jahr wider, zum einen in der UNIFIL-Mission im Libanon, zum anderen im Kongo, wo alle drei Länder beteiligt waren, und wir freuen uns, dass unsere Soldaten jetzt wieder nach Hause zurückkehren können. Wir sind natürlich auch in Afghanistan engagiert, wo die polnische Seite ihr Engagement sogar noch vergrößern wird. Auch darüber haben wir geredet.

Wir haben neben dem Jugendaustausch auch eine trilaterale Diplomatenausbildung neu ins Auge gefasst. Das heißt, die Erfahrung von jungen Diplomaten aus unseren drei Ländern, die sich, wenn sie auf Posten in den verschiedenen Botschaften sind, sicherlich besser kennen lernen und bessern verstehen, trägt natürlich dazu bei, dass wir uns näher kommen.
Ich freue mich heute schon, dass uns der Präsident für das Jahr 2008 eingeladen hat, nach Polen zu kommen, dort dieses Treffen fortzusetzen und die Dinge, die uns innerhalb, aber natürlich auch außerhalb der Europäischen Union gemeinsam berühren, einfach immer weiter zu treiben und damit auch ein Beispiel dafür zu setzen, dass sich unsere jeweiligen Gesellschaften näher kommen, was das Erlernen der Sprache und das Sich-Treffen anbelangt. Das ist Europa. Europa soll ein Europa der Bürgerinnen und Bürger sein. Das wird in diesem Kommunikee auch noch einmal deutlich, sodass ich sagen möchte: Es gibt 15 Jahre erfolgreicher trilateraler Zusammenarbeit, und ich habe heute den Willen gespürt, dass wir das auch in Zukunft fortsetzen wollen.

P CHIRAC: Meine Damen und Herren, zunächst möchte ich den deutschen, polnischen, französischen und auch anderen Journalisten danken, die heute anlässlich dieses Weimarer-Dreieck-Treffens hier sind. Ich freue mich über dieses 7. Treffen, das hier in Mettlach mit der Bundeskanzlerin und dem polnischen Staatspräsidenten stattfindet. Ich möchte in unser aller Namen ganz herzlich dem Saarland, seinen Einwohnern und auch seinem Ministerpräsidenten, Herrn Peter Müller, für den sehr herzlichen Empfang danken, den sie uns hier bereitet haben.

Dieses Treffen ist das 15. Treffen und somit das 15. Mal, dass wir zusammenkommen. In Europa spielt dieses Weimarer Dreieck eine wichtige Rolle; denn nur so konnte der Kompromiss erzielt werden im Hinblick auf die Institutionen und auf die Politik, die wir in Europa betreiben möchten, aber auch, wenn es darum geht, die Rolle Europas in der Welt von heute zu stärken. Es spielt ebenfalls eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, die notwendige Politik zu erarbeiten, die wir brauchen, insbesondere, was die Energie und die Forschung anbelangt. Unser Treffen ist also von großer und besonderer Bedeutung; denn wir stehen am Vorabend des nächsten Europäischen Rates und des deutschen Vorsitzes in der Europäischen Union. Dies ist von sehr großer Bedeutung. Der polnische Präsident und ich selbst sind bestrebt, Deutschland zum Erfolg zu verhelfen, und hoffen, einen positiven Beitrag dazu leisten zu können.

Wir haben natürlich zunächst einmal einige wichtige Bereiche identifiziert, z.B. die Nachbarschaftspolitik. Wir haben ganz klar bekräftigt, dass ein Nachbarschaftsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Ukraine absolut notwendig ist und in der Natur der Sache liegt. Wir haben die europäische Verteidigung angesprochen und Fragen, die die Rüstung betreffen. Wir werden auch hierbei unsere Zusammenarbeit innerhalb der europäischen Rüstungsagentur weitertreiben. Wir haben beschlossen, bis 2012 einen Gefechtsverband – bestehend aus deutschen, polnischen und französischen Soldaten – aufzustellen, und wir sind fest entschlossen, unsere Zusammenarbeit mit den Drittländern so fortzuführen, wie wir das gemeinsam in der Demokratischen Republik Kongo gemacht haben – das hat die Bundeskanzlerin eben auch schon angesprochen – aber ebenfalls im Libanon und in Afghanistan.

Wir haben Probleme der industriellen Zusammenarbeit und der Innovation angesprochen, unser Vorgehen insbesondere bei den Gebietskörperschaften und eine stärkere Zusammenarbeit in den Bereichen, in denen sie am wettbewerbsfähigsten sind. Wir haben ebenfalls beschlossen, uns weiter abzusprechen und konzertierte Aktionen unserer drei Länder im Hinblick auf die Perspektive der deutschen Präsidentschaft durchzuführen, die – ich wiederhole es noch einmal – sehr, sehr wichtig für Europa ist. Natürlich haben wir auch über die Zukunft der Institutionen der Europäischen Union in einem Moment gesprochen, in dem Europa demnächst den 50. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge begehen wird. Bei den Erklärungen, die dazu erfolgen, wird Deutschland eine bedeutende Rolle spielen.

Wir haben über die Erweiterung gesprochen. Ich habe im Übrigen daran erinnert, wie wichtig es ist, dass der Europäische Rat eine Entscheidung im Hinblick auf die Integrationspolitik trifft. Was die Türkei anbelangt, sind wir uns darin einig, dass wir die notwendigen Konsequenzen daraus ziehen, dass es im Augenblick keine Fortschritte beim Ankara-Protokoll gibt. Wir bedauern, dass es keine Fortschritte gibt, aber wir möchten natürlich, dass es eine positive Entscheidung gibt, die auch für die zukünftige Entwicklung der Dinge ermutigend ist. Wir haben ebenfalls über die Lage auf dem Westbalkan gesprochen, insbesondere in Serbien. Wir brauchen Serbien, und Serbien braucht Europa. Sicherlich ist es auch so, dass Serbien unbedingt vorbehaltlos mit dem Internationalen Strafgerichtshof zusammenarbeiten muss. Dabei muss natürlich auch die Entwicklung dieses Landes und dieses Volkes mit in Betracht gezogen werden. Wir haben auch die Beziehungen zu Russland angesprochen. Unser Wunsch ist es, dass die Verhandlungen über den zukünftigen Rahmen der Beziehungen zwischen der EU und Russland so schnell wie möglich in Angriff genommen werden, insbesondere auch, dass das Embargo auf Fleischprodukte so schnell wie möglich aufgehoben werden kann.

Dann haben wir auch über weitere aktuelle Themen gesprochen, insbesondere über den Nahen Osten und die Notwendigkeit, die wir sehen, dass sich Europa hier einbringt, damit es im Nahen Osten zu einer friedlichen Lösung kommt. Was den Libanon anbelangt, so haben wir klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, dass wir den Wunsch haben, dass alle die Unabhängigkeit, die Souveränität, die Einheit und die Integrität des Libanon wahren und achten. Wir unterstützen die Regierung, der Herr Siniora vorsteht, und die demokratisch gewählte Mehrheit, die von Saad Hariri geführt wird. Wir setzen alles daran, dass der Libanon wiederaufgebaut wird, und wir werden in den nächsten Wochen die notwendigen Anstrengungen unternehmen, um dem Libanon konkret und kollektiv zu helfen, wenn es darum geht, seine wirtschaftliche und finanzielle Situation zu verbessern. Wir appellieren an alle politischen Kräfte im Libanon, friedlich und unter Achtung der libanesischen Institutionen so vorzugehen, wie es in einem großen Land, wie es der Libanon ist, und einem großen Volk sein muss, nämlich im Geist des nationalen Dialogs, der allein in der Lage sein wird, eine Lösung für die Konflikte herbeizuführen, die etwas heftiger werden und die einfach zum Nachteil aller Libanesen sind

P KACZYNSKI: Auch ich möchte der Bundeskanzlerin und dem Ministerpräsidenten des Landes Saarland für die herzliche Aufnahme danken. Unser Gespräch, das ich sehr schätze, wurde in einer sehr freundlichen Atmosphäre geführt, auch wenn es schwierige Fragen betraf. Insbesondere wurden alle problematischen Dinge angesprochen.

Ich möchte nur darauf hinweisen, dass wir darin übereinstimmen, dass es bestimmte Schwierigkeiten bei der Umsetzung eines Problems gibt. Polen ist der Ansicht, dass die Gespräche im Hinblick auf die Aufnahme der Türkei weitergeführt werden sollten. Wir sind uns darüber im Klaren, dass es ein schwieriger Prozess ist, der erst in Jahren Effekte zeigen wird. Am polnischen Standpunkt gab es keinerlei Änderungen.

Befriedigend ist für uns die Tatsache, dass sowohl die Bundesrepublik als auch die französische Republik und Polen ihre Mission in Afghanistan erfolgreich durchführen, (ebenso wie) im Libanon, wo wir auch unseren Beitrag leisten. Das heißt, der Beitrag der Europäischen Union an Truppen ist erheblich. Er ist als Erfolg der ganzen Europäischen Union zu werten. In militärischer Hinsicht gibt es daneben den nicht sehr großen, aber sehr effektiven Einsatz im Kongo, den sowohl die deutschen, französischen als auch die polnischen Soldaten, die demnächst zurückkehren, leisten. Das geschieht leider nicht sehr oft. Deswegen betone ich noch einmal: Wir haben hier sehr gut zusammengearbeitet, und zwar nicht nur diese drei Länder, sondern alle EU-Länder, die daran beteiligt sind.

Was die Beziehung zu Russland betrifft, so möchte ich nicht verheimlichen, dass wir den Importstopp möglichst rasch aufgehoben sehen möchten. Einerseits sehen wir hier ein Wohlwollen der Europäischen Union, sowohl der einzelnen EU-Länder als auch der EU insgesamt, im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit Russland. Andererseits ist es auch wichtig, dass sich die Länder gegenseitig gleiche Rechte und Pflichten einräumen und sich auf viele Fragen konzentrieren. Damit ist nicht nur die Frage der Energie gemeint, die aber natürlich eine wichtige Rolle spielen wird. Das ist etwas, was wir in einem ganzheitlichen Abkommen gelöst sehen möchten.

Wir haben auch kurz darüber gesprochen, wie die Zukunft der Europäischen Union aussehen soll. Es wird sicher noch nötig sein, darüber ausführlicher zu sprechen. Das verbindet sich natürlich mit der deutschen Präsidentschaft in der EU. Sicher wird das nicht innerhalb dieser sechs Monate zu lösen sein. Aber eine aktive Weiterführung der Lösung dieses Problems ist sehr wichtig.

Ich bin der tiefen Überzeugung, dass das Schritt für Schritt innerhalb einiger Jahre gelingen wird. Denn es macht sicher keinen Sinn, die Lösungen übers Knie zu brechen. Wir sind uns alle darüber einig, dass die Europäische Union, die bereits heute als Union der 27 Mitgliedstaaten bezeichnet werden kann – es fehlen nur noch einige Tage – und dann 500 Millionen Einwohner umfasst, auf etwas anderen Grundsätzen aufgebaut werden muss, damit es funktionieren kann. Denn zu Anfang waren wenige Länder beteiligt, und die einzelnen Länder hatten vielleicht etwas andere Schwerpunkte.

Mit großer Befriedigung stelle ich fest: Meine Amtszeit als Präsident der Republik Polen ist noch nicht sehr lang. Ich freue mich, dass ich die Bundeskanzlerin und den französischen Präsidenten in unser Land werde einladen können. Wir werden noch einen konkreten Ort und ein konkretes Datum festlegen. Ich hoffe, dass wir einen ähnlich attraktiven Ort finden.
Die Gespräche im Rahmen des Weimarer Dreiecks müssen fortgesetzt werden. Das Weimarer Dreieck ist acht Jahre vor Beitritt zur Europäischen Union und zur NATO entstanden. 13 Jahre hat der Beitrittsprozess Polens zur Europäischen Union gedauert. Darin hat das Weimarer Dreieck eine sehr positive Rolle gespielt.

Wir sind auch schon einige Jahre in der NATO, seit 1999. Es ist eine sehr gute Mitgliedschaft. Wir sind damit zufrieden.

FRAGE EBELING: Herr Präsident Kaczynski hat sich eben sehr klar über den Wunsch nach einem späteren Beitritt der Türkei geäußert. Von Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, liegt der Vorschlag dieser Revisionsklausel auf dem Tisch. Sie haben sicherlich auch mit dem Präsidenten der französischen Republik darüber gesprochen. Glauben Sie nach wie vor, dass dies ein gutes Vorgehen ist? Denken Sie nach wie vor, dass Sie eine Mehrheit oder sogar Einstimmigkeit dafür auf dem Gipfel in Brüssel erzielen können?

BK’IN DR. MERKEL: Natürlich haben wir, wie Präsident Kaczynski schon gesagt hat, (mit dem) französischen Präsidenten darüber gesprochen, wie jetzt das weitere Vorgehen angesichts der Tatsache ist, dass wir bis zum heutigen Tag noch keinen Fortschritt bei der Umsetzung des Ankara-Protokolls haben.

Wir sind der Meinung, dass die Vorschläge, die die Kommission unterbreitet hat, wie man weiter vorgehen könnte – d.h. einige Kapitel nicht anzutasten, andere Kapitel aber durchaus zu öffnen und dann nicht wieder zu schließen -, eine gute Grundlage für die Beratung des Außenministerrates und des (Europäischen) Rats am 14. und 15. Dezember ist. Das ist im Übrigen auch nicht das Gremium, das darüber entscheidet. Das wird auf den Räten gemacht.
Wir werden dafür werben – das darf ich sagen -, dass uns darüber hinaus die Kommission Bericht erstattet, und zwar zwischen den Wahlen in der Türkei – das wird im nächsten Herbst sein – und den Europawahlen, die wir in 2009 haben werden.

In dieser Frist wollen wir uns ausdrücklich nicht auf irgendeinen Tag festlegen, wie der Fortschritt in dieser Zeit gelungen ist. Denn unser Ziel ist natürlich, dass das Ankara-Protokoll umgesetzt wird – unbeschadet der Frage, wie man die Zeiträume einschätzt und wie man zu dem Beitritt der Türkei insgesamt steht.

Das heißt, wir wollen jetzt keine Ultimaten in irgendeiner Weise setzen. Aber wir wollen seitens des Rates noch einmal bekunden, dass wir die Berichte der Kommission nehmen wollen und uns die Kommission sagen soll „Was ist erreicht, und wie könnte es weitergehen?“, und zwar zwischen Herbst 2007 – also etwa heute in einem Jahr – und dem Frühjahr 2009.

Das, was jetzt im Zentrum steht, hat die Kommission selbst vorgeschlagen. Das halten wir für eine gute Grundlage. Ich hoffe, auch von der türkischen Seite wird gesehen, dass hier nicht von einer Verschärfung die Rede sein kann, sondern dass wir sagen: Es ist etwas, das wir erwartet haben, nicht passiert. Das muss gewisse Folgerungen haben. – Wir arbeiten natürlich weiter daran, dass die Türkei das Ankara-Protokoll umsetzt. Das ist unser Ziel.

P CHIRAC: Ich bestätige, dass Frankreich genau der Meinung ist, die die Bundeskanzlerin gerade vorgetragen hat. Frankreich und Deutschland haben, was dieses Problem anbelangt, die gleiche Position eingenommen. Ich glaube, dass die Position der polnischen Seite nicht sehr weit von der deutschen und der französischen entfernt ist.

P KACZYNSKI: Ich möchte wiederholen: Polen ist weiterhin Befürworter des Beitritts der Türkei in der Europäischen Union. Ich habe auch in unserem Gespräch, das wir eben geführt haben, keine Revision dieses Zustandes gesehen. Es ist aber erforderlich, dass gewisse Prozeduren bzw. Verfahren, die an der Türkei selbst liegen, weitergeführt werden. Es ist ein vielschichtiges Problem.

Ich bin fest davon überzeugt, dass es gelingen wird, diese Probleme zu lösen. Polen ist ein Land, das der Türkei gewogen ist. Dennoch ist Polen natürlich dafür, dass die Standards der Europäischen Union, die die Union selbst gesetzt hat, auch von Seiten der EU beachtet werden.

FRAGE: Ich habe eine Frage zur Energiesicherheit an den polnischen Präsidenten. War dieses Thema heute Gesprächsgegenstand? Wurde auch über die Ostseepipeline gesprochen? Ist auch über die Frage der Fleischimporte gesprochen worden?

P KACZYNSKI: Wenn es um die Frage des Fleischembargos geht, so haben wir darüber gesprochen. Wir haben auch das Thema Solidarität besprochen und auch die Anstrengungen, die darauf abzielen, den jetzigen Zustand zu ändern.

Die Fragen im Hinblick auf die Energie wurden in allgemeinen Zügen besprochen. Wir haben noch zwei Drittel der Gespräche während des Essens vor uns. Dieses Thema, nach dem Sie fragen, wurde angesprochen. Bis vor kurzem war das ein wirtschaftliches Thema. Jetzt ist es ein politisches Problem. Details werden wir während des Arbeitsessens weiter erörtern. Bitte denken Sie auch daran, dass die Frage der Ostseepipeline eher ein Problem der deutsch-polnischen Beziehungen ist, auch wenn einige Staaten einbezogen sind, die nördlich der EU bzw. zwischen Deutschland und der Europäischen Union liegen.

Das heißt, es sind weitere Ostseeanrainer und auch Nordseeanrainer, die tangiert werden. Ich hoffe, dass es während bilateraler Gespräche des polnischen Ministerpräsidenten die Gelegenheit geben wird, (dieses Thema weiter zu erörtern). Das wurde im Übrigen schon angesprochen, auch in meinen Gesprächen. Mit Bundespräsident Köhler haben wir dieses Thema besprochen. Heute sprechen wir in einem etwas anderen Format.

FRAGE: Haben Sie schon über den Fall Litwinenko gesprochen oder werden Sie während des Mittagessens noch darüber sprechen? Machen Sie sich Sorgen über das Schicksal von Menschen, die sich in Russland in Opposition zur gegenwärtigen Staatsführung befinden?

BK’IN DR. MERKEL: Wir haben jetzt über den speziellen Fall noch nicht gesprochen. Aber das wird sicher beim Mittagessen noch eine Möglichkeit sein.

Es ist natürlich beunruhigend, dass in der letzten Zeit eine Vielzahl von Morden passiert ist, über deren Hergang wir noch keine Aufklärung haben. Es muss nach meiner Ansicht alles dafür getan werden, dass auch die russische Seite ihren Beitrag zur Aufklärung leistet bzw. die Aufklärung unterstützt.

Wir haben das im Fall der Anna Politkowskaja ja immer wieder gefordert. Das Gleiche gilt natürlich für diesen schrecklichen Mord in London. Ich habe den Eindruck, dass die britischen Behörden mit allem Nachdruck forschen. Ich glaube, dass Russland das Richtige tut, wenn es diese Ermittlungen unterstützt, jedenfalls was die staatliche russische Seite anbelangt.

P KACZYNSKI: Wie die Bundeskanzlerin bereits gesagt hat, war das nicht Gesprächsgegenstand der letzten anderthalb Stunden. Einige Worte werden wir sicher zu diesem Thema während des Arbeitsessens wechseln. Aber ich denke, es ist auch Ihnen bewusst, dass man nicht über alles ausführlich reden kann.

Die Morde an Frau Politkowskaja und Litwinenko sind sehr beunruhigende Ereignisse. Sie sollten eindeutig geklärt werden. Ich möchte nicht verheimlichen, dass Polen besonders von derartigen Erscheinungen in Russland beunruhigt ist. Polen erwartet von Seiten Russlands Partnerschaft. Wir möchten gute Beziehungen mit Russland pflegen. Wir sind der festen Überzeugung, dass es für das ganze russische Volk wichtig ist, dass demokratische Standards durchgesetzt werden – Standards, die in solchen Ländern gelten, die zur Europäischen Union gehören. Das ist sehr positiv.

Wir unterscheiden natürlich ganz deutlich zwischen der Sowjetunion und der heutigen Russischen Föderation. Das sind grundlegende Unterschiede. Aber Russland hat noch einen weiten Weg zurückzulegen.

P CHIRAC: Ich habe dem nichts hinzuzufügen. Ich möchte nur sagen, dass dies dramatische und sehr beunruhigende Vorfälle sind. Russland muss direkt in diese Dinge einbezogen werden, und Russland muss hier eine absolut transparente Zusammenarbeit zeigen. Ich vertraue hier voll und ganz der britischen Polizei, die absolut kompetent ist und weiß, wie sie zu arbeiten hat. Ich habe vollstes Vertrauen in die britische Polizei, dass sie diese Dramen aufklären kann.

FRAGE: Ich möchte auf eine Frage zurückkommen, die Herr Kaczynki (angesprochen hat), was die Energieproblematik anbelangt. Ist die Tatsache, dass das Embargo für Fleischprodukte aufgehoben wird, eine ausreichende Bedingung dafür, dass die Verhandlungen über Energiefragen wieder aufgenommen werden? Oder wollen Sie zusätzliche Garantien von ihren europäischen Partnern erhalten, damit die Verhandlungen mit Russland aufgenommen werden?

P KACZYNSKI: Soweit ich mich erinnern kann, ist es eine Tatsache, dass Polen das einzige Land war, das sein Veto eingelegt hat. Die Verhandlungen mit Russland werden aus unserer Sicht dann zu beginnen sein, wenn das Embargo aufgehoben sein wird. Die Inhalte der Gespräche betreffen nicht nur die Energiepolitik, auch wenn sie ein wesentlicher Teil ist. Man kann das neue Abkommen zwischen der EU und Russland nicht auf die Energiefragen reduzieren. (Dieser Teil des) Abkommens wird maximal oder vielleicht nicht einmal 10 % ausmachen. Dennoch ist dies ein sehr wichtiges Thema. Wir sind dafür, dass an diesem Abkommen gearbeitet wird. Aber ich habe auch die aktive Beteiligung Polens in Aussicht gestellt.

Ich finde, die Lösungen, die gegenseitige Vorteile garantieren, sind sehr wichtig. Diese Lösungen sind in der Energiecharta enthalten, die Russland leider nicht ratifiziert hat. Es gibt einige Modelle, die diese Lösungen in das internationale Recht – so möchte ich das bezeichnen – übertragen könnten. Es gibt ein Modell, das das Abkommen selbst sein könnte, oder vielleicht auch andere Lösungen. Das bezieht sich auf das Transitprotokoll. Ich wiederhole: Polen ist nicht das Land, das das größte Interesse daran haben muss. Polen ist aber ein Land, das sehr daran interessiert ist, dass das neue Abkommen Erfolg bringt und Effekte zeigt, die in Zukunft eine echte Zusammenarbeit garantieren und keine neuen Konflikte bzw. Spannungen herbeiführen. Dafür ist es notwendig, dass einige Bedingungen erfüllt werden. Wir werden uns darum bemühen, dass diese Bemühungen bereits während der Verhandlungen erfüllt werden.

FRAGE: Herr Präsident, im Rahmen eines Vorschlags des deutschen Auswärtigen Amtes in Bezug auf die Ostpolitik, die vorbereitet worden ist und während der deutschen Präsidentschaft umgesetzt werden soll, ist eine Reihe von Vorschlägen für die Ukraine unterbreitet worden. Ich möchte erfahren, wie Polen die Vorschläge betrachtet, die von der deutschen Seite vorgebracht wurden.

P KACZYNSKI: Ich möchte nicht verheimlichen: Wir haben über dieses Thema heute etwas länger gesprochen. Polen betrachtet das als positiv. Polen hat eine positive Haltung zu allem, was einer Heranführung der Ukraine an Europa hilft. Natürlich gehört die Ukraine zu Europa. Aber ich meine, wir haben unseren Standpunkt nicht verändert. In dem Kommunikee der heutigen Sitzung haben wir einen Bezug im Text gefunden, in dem sich diese drei Länder darauf beziehen, ihre Standpunkte, die für alle akzeptabel sind, festzuschreiben. Wir freuen uns deutlich darüber, dass die Nachbarschaftspolitik die Heranführung der Ukraine zum Ziel haben wird und dass die Ostpolitik der Europäischen Union dies berücksichtigt. Natürlich geht es im Rahmen der Nachbarschaftspolitik nicht nur um die östlichen Nachbarn, sondern auch um die südlichen Nachbarn. Das ist eine Perspektive. Ich rede jetzt aus der Sicht Polens: (Die Ukraine) sollte der Europäischen Union beitreten, obwohl wir heute natürlich nicht über den Beitritt selbst gesprochen haben. Unser Standpunkt im Hinblick auf die Ukraine ist jedoch weiterhin unverändert.

BK’IN DR. MERKEL: Ich will nur sagen: In dem Kommunikee werden Sie nachher einen klaren Satz zur Ukraine finden, in dem wir uns für ein neues, anspruchsvolles Abkommen einsetzen, das auch eine neue Basis der Kooperation schaffen kann. Dieses Abkommen soll – so wird die Formulierung lauten – der „europäischen Bestimmung der Ukraine“ entsprechen.

FRAGE: Ich habe eine Frage an Frau Merkel. Während der deutschen Präsidentschaft in der Europäischen Union wird Frankreich mitten im Wahlkampf stecken. Darf ich Sie fragen, wie Sie das sehen, dass jetzt eine Frau, Ségolène Royal, eine der großen französischen Parteien, nämlich die sozialistische Partei, bei diesen Wahlen in den Wahlkampf führt?

BK’IN DR. MERKEL: Zuerst einmal haben wir natürlich auch darüber gesprochen, dass in Frankreich im nächsten Jahr Wahlen stattfinden, wie das in demokratischen Ländern überall üblich ist. Wir sind uns einig, dass wir trotzdem die europäische Agenda voranbringen werden und dass ich auch voll und ganz auf die Unterstützung der französischen Regierung und des französischen Präsidenten setzen kann. Ich bin dafür auch sehr dankbar. Das hat auch eine große Tradition in den europäischen Mitgliedstaaten, dass das zwischen uns so funktioniert.
Was die weibliche Kandidatin anbelangt, kann ich nur das wiederholen, was ich sehr oft in Bezug auf mich in Deutschland gesagt habe: Frauen sind auch Menschen.